Transart10 bedeutet zunächst in aller Schlichtheit 10 Jahre Arbeit am Projekt Transart. Dieses ist zwar mittlerweile zu einem veritablen Festival herangewachsen, begreift sich aber immer noch als Projekt. Die zeitgenössischer Kultur ist an sich schon eine Herausforderung für jene, die sie ermöglichen, die sie veranstalten und die sie rezipieren; diese mit einem aufgeschlossenen Selbstverständnis dieser Region Trentino Südtirol zu verbinden ist eine noch größere Herausforderung!
Uns geht es nicht darum, das beste, das größte, das etablierteste Festival zu sein. Uns geht es darum, immer wieder neu nachzudenken, welche Rolle unser Projekt Transart im heimischen Kulturleben spielen kann und in welchem Verhältnis wir zu den vielen verdienstvollen Institutionen zeitgenössischer Kultur stehen, die mit großer Kontinuität und das ganze Jahr über künstlerisches Zeitgenossentum in vielfältigen Facetten vorantreiben.
Die Professionalisierung des Kulturbetriebes hat in diesen vergangenen 10 Jahren deutlich zugenommen – und das ist gut so; die selbstverliebten und von Superlativen trunkenen Akteure ebenso – das ist verständlich; die aufrichtige Auseinandersetzung mit der Substanz zeitgenössischer Kultur nicht unbedingt – und dies bleibt und ist die Herausforderung, der wir uns bei Transart stellen wollen.
Die ersten 10 Jahre Transart waren sicherlich auch eine Lehrzeit für das Transart-Team. Niemand von uns ist als geborener Veranstalter ans Werk gegangen und die erste Ausgabe musste nach anfänglichem Zögern der offiziellen Kulturpolitik in nur 3 Monaten, gänzlich auf die Industriezone von Bozen Süd konzentriert, vorbereitet werden. Neben vielen Entdeckungen und Erfolgen gab es auch einige künstlerisch misslungene Projekte, das eine oder andere Missverständnis mit unserer wohlwollenden Sponsoren, auch enttäuschtes Publikum und den einen oder andern verärgerten Künstler. Aber was zählt, ist letzten Endes doch das ungebrochene Engagement des gesamten Transart-Teams, das starke Bekenntnis der öffentlichen Kulturpolitik zum Festival, die alles andere als selbstverständliche Unterstützung der zahlreichen Sponsoren und die Großzügigkeit der vielen internationalen wie regionalen KünstlerInnen, alle Jahre wieder Transart zu ermöglichen.
Die zehnte Ausgabe unseres Festivals steht im Zeichen einer intensivierten Zusammenarbeit mit vielen Partnern wie dem New Yorker Performa Festival, dem Mart von Rovereto, dem Museion und der ar/ge kunst in Bozen, der Fakultät für Design und Künste der FUB, Literatur Lana und dem Südtiroler Künstlerbund sowie den Nordtiroler Klangspuren. Transart10 präsentiert eine Riege starker Frauenpersönlichkeiten, darunter Patti Smith, Diamanda Galás, Maja Ratkje, Manuela Kerer, Irene Hopfgartner und wartet mit vielen Uraufführungen und Erstpräsentationen auf.
Eröffnet wird Transart10 mit einer Uraufführung eines Werks für 12 Schlagzeuger des Südtiroler Komponisten Hannes Kerschbaumer – er ist ein exzellenter Kenner der internationalen Neuen Musik Szene und zählt zu den vielversprechendsten Talenten weitum. Mit FRANZISKUS beschäftigt sich der russische Komponist Sergej Newski in einer von der Franziskanerprovinz Südtirol-Österreich in Auftrag gegebenen Komposition, wo ein extrem erniedrigter Franziskus in unsere Gegenwart hereinglüht; interpretiert vom heimischen Windkraftensemble über herausragende Solisten bis hin zum Lettischen Radiochor werden alle Register zeitgenössischer Virtuosität gezogen. Windkraft ist auch in einem zweiten Konzert zu erleben, das ein Werk des Transart-Präsidenten Eduard Demetz zur Uraufführung bringen wird. Das Interpretenkollektiv MCME bietet an einem einzigen Abend einen höchst abwechslungsreichen Querschnitt der jüngsten Komponistenszene Russlands. Als radical-regional-ethno-sound kann man die abendfüllende Komposition von Christof Dienz bezeichnen, die in der Tischlerei Georg Mühlmann zur Aufführung kommt; als regional-internationale Verschränkung präsentiert sich die Zusammenarbeit zwischen der Brixner Komponistin Manuela Kerer, die Zahnbürsten zum Klingen bringt, und der norwegischen Stimmkünstlerin Maja Ratkje, die in ihrer Virtuosität die eigene Stimme auch zur Zahnbürste werden lässt. Als Entgrenzung des Hörens wird das bereits zum dritten Mal vom Klangforum Wien präsentierte – diesmal im Eppaner Lanserhaus – Symposion erlebt: 7 Stunden Genuss von Wein und zeitgenössischer Musik, mit kleinen Essenseinschüben versehen. Die Clubbingfreunde werden über das ganze Festival immer wieder Entdeckungen machen können: ob im vielteiligen Ex-Alumix-Abend von Bozen, bei der FRANZ Party bei Rothoblaas in Kurtatsch oder bei der Eröffnung der neuen Werkstätten der Fakultät für Design und Künste sind bei Transart 10 angesagte Djs und Vjs zu erleben. Tanz bei Transart 10 meint Tanztheater: hochtechnologisch im japanischen Multimediaprojekt TRUE und elegisch als Geschichte eines Menschen auf der Suche nach der eigenen Behausung bei BLESSED. Film kommt als allererster Science Fiction Film – eine Reise zum Mars aus dem Jahre 1924 – mit neuem Soundtrack und als Videokunst von Claudio Sinatti daher. Die Literatur lebt vom eindrucksvollen Tonfall des russischen Bestsellerautors Vladimir Sorokin und einer vielschichtigen Poetry Slam-Schiene.
Die Performance als Kernbegriff eines zeitgenössischen Kunstbegriffes ist stärker als je zuvor im Programm vertreten: Irene Hopfgartner bewegt sich mit ausgestopften Tieren, Luciano Chessa haucht den Geräuschmaschinen von Luigi Russolo neuen Atem ein, eine Italo-New Yorker Performer Gruppe zeigt sich mit Living Pictures einerseits und intimen Publikums-Künstler-Konstellationen andererseits.
Transart10 zieht alle Register eines zeitgenössischen Kulturbegriffes – auf dass das Erlebnis zeitgenössischer Kultur ein unmittelbares, ein überraschendes, ein unvergessliches wird.